Unsere Projektidee war, dass die Kinder der „Kleinen Entdecker“ die Vielfalt der Welt und in ihrer Gruppe bewusster wahrnehmen können. Die Kinder und Familien mit ihren heterogenen Erfahrungshintergründen dienen uns hier als spannende Ressource. Jede Familie hat ihre eigenen Traditionen, Essgewohnheiten, Religion und Kultur und in der Auseinandersetzung mit diesen sollen die Kinder der Gruppe neugierig gemacht werden auf die Heterogenität der Welt, ohne dabei kulturelle Stereotype zu reproduzieren. Das Zusammenspiel von Vielfalt, Gemeinschaft und individuelle Einzigartigkeit kann so als Bereicherung erfahren und ein gegenseitiges Verständnis füreinander entwickelt werden.
Christin vom Steuerungsteam hatte die Idee, als Medium und Impuls einen alten Reisekoffer zu nutzen, der mit verschiedenen Spielen und Büchern gefüllt wird, wie wenn man verreist, kann man die unterschiedlichen Dinge dann auspacken. Der Koffer soll die Kinder einladen und Interesse wecken, die Welt zu erkunden. Die Kinder mit ihren Eltern sind mit ihren ganz persönlichen Erfahrungen dabei die Expert:innen für die unterschiedlichen Länder.
Ziel:
- Die Kinder nehmen sich in ihrer Heterogenität wahr
- Aussehen
- Unterschiedliche Herkunftsländer und Nationalitäten
- Verschiedene Erstsprachen
- Geschmacksrichtungen beim Essen, manche essen etwas Anderes
- unterschiedliche Spielinteressen und Lieblingsspiele
- Traditionen
- Individuelle kindliche Persönlichkeiten bewusster wahrnehmen und benennen
- Sich und andere Kinder besser kennenlernen.
- die Identitätsentwicklung zu unterstützen
- Wer bin ich?
- Darf oder will ich das Essen was mir angeboten wird?
- Was macht mich aus?
- Was mag ich und was nicht?
- Jeder Mensch ist was Besonderes.
- Ich bin so wie ich bin und es ist gut so!
- Ich begegne jedem Menschen mit Respekt.
- Wie bin ich mit Anderen verbunden?
Mittel:
Ein Koffer mit verschiedene Büchern und Materialien zum Thema Vielfalt, der zunächst von den Erzieher:innen gefüllt wird, später durch Eltern mit den Kindern erweitert wird und dadurch immer weiter wächst: bspw. Weltkarte, Globus oder Bilder. Enger Kontakt und Austausch zu den Elternhäusern über ihre Familientraditionen, Religionen oder Essgewohnheiten.
Der Start:
Unser erstes Thema war: Wo kommen die Kinder und ihre Familien her? Mit großem Interesse haben die Kinder die Landkarte und den Globus betrachtet und die verschiedenen Länder gesucht, wo die Familien der Kinder herkommen:
Josef sagt: „Ich komme aus dem Iran.“ Neugierig betrachteten die Kinder die Landkarte.
Luci fragt: „Wo ist Deutschland?“ Voller erstaunen sagt sie: „Das ist aber klein!“
Elies fragt: „Wo ist das Land von meiner Mama?“ Die Erzieherin zeigt, wo Russland liegt. Die Kinder sind total Überrascht: Das ist ja riesig! Anschließend wurde auch Rumänien gezeigt und benannt.
Lucie beschäftigt die Landkarte noch länger. Sie sagt: „Ich denke, Deutschland ist so groß, aber die anderen Länder sind ja riesig.“ Auch die anderen Kinder betrachteten mit Interesse den Globus und ließen sich die Namen der Länder sagen.
Zwei Tage darauf hat Emil sich gewünscht, noch einmal in den Koffer zu schauen. Er hatte ein Sachbuch über Ägypten mitgebracht. Die Kinder haben dieses mit großem Interesse betrachtet, auch die Lage Ägyptens auf der Weltkarte war wieder interessant.
Emil zeigt: „Da sind wir. Da sind die Pyramiden.“ Es entsteht ein reger Austausch zwischen den Kindern. Auch Mumien sind ein Thema.
Irgendwann war dann das Aussehen dran. Im Buch „Menschen“ kann man die Vielfalt gut erkennen. Haarfrisuren fanden sie besonders spannend. Die sehen alle anders aus. Und trotzdem sind wir alle Freund:innen.
Dann waren die Schrifttypen Thema. Emil zeigt in seinem Buch, wie Arabische Buchstaben aussehen und Hieroglyphen. Talin zeigt, wie ihre Familie schreibt. Anschließend probieren die Kinder verschiedene Schriftarten aus. Sie sagen: „Boah, das ist ganz schön schwer.“ Isabell meint: „Guck mal, wir haben alle eine Feder im Namen.“ Sie meint damit die verschiedenen Schwünge.
Der Koffer bleibt bei den „Entdecker:innen“ ein interessantes Objekt und ist fest in den Wochenablauf integriert. Vielleicht erinnern sich die Kinder selbst an eine Urlaubsreise oder eine Flucht, wo man persönliche Dinge, Erlebnisse, Erinnerungen mitnimmt an einen anderen Platz in der Welt.
Für uns ist der Austausch ein sehr intensives, emotionales und bewegendes Erlebnis. Die Bücher, auf welche wir durch das Vielfaltprojekt erst aufmerksam geworden sind und die wir über das Projekt anschaffen konnten, regen uns als Erzieher:innen und die Kinder täglich dazu an, sich mit dem Thema Vielfalt auseinanderzusetzen. Gemeinsamkeiten zu finden, Individualität zu stärken und das Miteinander zu leben.
Christin Scholz und Sabine Bickel (Kinderland Grenzweg Schmalkalden)
Exkurs
Im Rahmen von Angeboten und Projekten innerhalb des Modellprojekts „Vielfalt vor Ort begegnen“ ist es wichtig, sensibel für mögliche Fallen im Umgang mit Vielfalt zu sein (Vergleiche auch Basismodul 4). Dafür ist es notwendig, Unterschiede sachlich zu benennen, die Vielfalt innerhalb einer Gruppe jedoch zugleich nicht durch die Gruppenzugehörigkeit zu negieren, sondern sich der Heterogenität auch bei gleicher Gruppenzuschreibung bewusst zu sein. Unterschiede sollten nicht als Besonderung sowie Abgrenzung überbetont und Kultur(en) nicht mit Nationen oder Herkunftsländern undifferenziert gleichgesetzt werden. Es bleibt also bedeutend, nicht starre Differenzen zu fokussieren, sondern transkulturell über Differenzen hinauszugehen und die Individualität der Erfahrungshintergründe im Blick zu behalten.
Team WisBeV