Machen Sie die Augen zu und stellen Sie sich eine ideale Familienszene vor. Wen sehen Sie? Wo befinden sich diese Personen? Wie sehen sie aus? Und wie interagieren die Personen miteinander? Und jetzt stellen Sie sich eine Familienszene vor, die Ihnen Unbehagen bereitet. Stellen Sie sich nun dieselben Fragen. Die Erfahrung in Reflexionsrunden zeigt: Das Ideal ist für viele eine Familie bestehend aus drei bis vier Personen – Vater, Mutter, Tochter und/oder Sohn. Sie ist weder arm noch besonders reich. Die Personen sind weiß, interagieren harmonisch miteinander, keine:r hat ein Handy in der Hand.
Änderungen dieses Grundschemas finden sich fast nur bei Personen, die von dieser normativen Vorstellung abweichen: die alleinerziehend sind oder in einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft leben, die mehr Kinder haben, die schwarz sind, deren Lebensmodell nicht dem der Mehrheitsgesellschaft entspricht.
In einer Studie zu Armut in Kitas, die an der Uni Kassel durchgeführt wurde, zeigte sich in Gruppendiskussionen mit Erzieher: innen, dass in Gesprächen über Armut schnell negative Familienpraktiken diskutiert (Streit, hoher und schlechter (Medien-)Konsum, Missachtung kindlicher Bedürfnisse) und vor allem Familien mit Migrationshintergrund häufig mit Armut in
Verbindung gebracht werden.
Die Verknüpfung dieser Merkmale führt zu Diskriminierungen. Unreflektiert befördern sie Vorurteile gegenüber bestimmten
Familienkonstellationen. Während sich Familien, die unseren Idealvorstellungen nahekommen, kaum für ihre Alltagsgestaltung erklären müssen, müssen andere Familien sich immer wieder als „gute Familie“ beweisen. Diese Zumutung trifft zumeist Familien, die ohnehin höhere Anforderungen haben, ihren Alltag zu bewältigen.
Deshalb lohnt es sich, genau hinzusehen: Auf unsere Bilder von Familie, auf unsere Arbeitsbeziehungen mit Familien und auf damit verbundene Annahmen.
Viel Spaß beim Lesen!
